Jehnny Beth – You Heartbreaker, You

Jehnny Beth
(c) Johnny Hostile

Neue Musik von Jehnny Beth ist stets ein Festmahl, ob mit den leider in Langzeit-Pause befindlichen Savages, im Duett mit Bobby Gillespie oder als allseits beliebter Gast für diverse Künstler. Und dann ist da noch ihre spannende Solokarriere, die mit „To Love Is To Live“ vor fünf Jahren ein herrlich unorthodoxes Album abwarf. Dessen Eindringlichkeit rettet die Französin ins Hier und Jetzt und präsentiert eine Platte, die auf dunkle Zeiten reagiert – mal laut, schroff und bewusst grantig, dann wieder zart, flüstern, nahezu einfühlsam. „You Heartbreaker, You“ ringt mit einer Pluralität an Eindrücken und stellt sich musikalisch entsprechend breit auf.

Ob es nun eine tatsächliche gebrochene Rippe ist, die erst heilen musste, oder das metaphorische Ringen um Atmen und das beherzte Weitermachen unter widrigsten Bedingungen: Der kantige Opener „Broken Rib“ macht sogleich rohe Stimmung, mit Post Punk, mit Noise und Understatement der fiesen Art. Dass sich das dennoch direkt einbrennt, passt ins Bild. „High Resolution Sadness“ gelingt ein ähnlicher Husarenritt. Der aufbrausende Track lässt die Leinen los, überdreht aus dem Stand mit wachsender Begeisterung und erinnert stellenweise sogar etwas an Idles, bevor sich der Song selbst zerlegt.

Hingegen kehren schroffe Loops und unterkühlte Elektronik in „Obsession“ ein, machen ein gewisses Faible für Industrial deutlich und drehen schlussendlich doch komplett durch – mindestens so kaputt und unnachgiebig wie „Reality“, das der Wirklichkeit mit musikgewordener Entfremdung begegnet. Wieder und wieder scheint sich das Arrangement aufzulösen, wird assoziativ zusammengehalten. Und dann ist da noch die Laut-Leise-Dynamik von „I See Your Pain“, dessen Schmerz sich in mehreren Wellen entlädt. Unterkühlte Geisterhaus-Atmosphäre, große Alternative-Hymne und sogar eine unerwartete Prise Fugazi mit Garage Rock à la Jack White führen zum großen Crescendo.

Jehnny Beth benötigt keine halbe Stunde, um abermals komplett zu verzücken, Geduldsprobe hin oder her. „You Heartbreaker, You“ bricht nicht nur Herzen, sondern torpediert das Seelenleben in seiner Gänze mit nahezu kathartischer Überforderung. Jeder einzelne dieser neun Songs ist eine kleine Wundertüte, betont stets frische Facetten und findet doch immer wieder zu jenem roten Faden, der sich durch das Album zieht. Der von Fassung rein gar nichts hält und stattdessen lieber Haltung beweist. Der sich selbst inmitten vermeintlich aussichtsloser Lage erhobenen Hauptes nach vorne kämpft und Selbstbewusstsein spendet. Der kompromissloses Songwriting beweist und mit bloßer Attitüde süchtig macht. Einmal mehr setzt es großes Kino von Jehnny Beth, und einmal mehr sollte das nicht überraschen.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 29.08.2025
Erhältlich über: Fiction Records / Virgin Music

Website: www.jehnnybeth.com
Facebook: www.facebook.com/jehnnybethofficial