Phoria – Volition
Trewin Horward hat mit einer Erkrankung zu kämpfen, die viele Menschen in den Wahnsinn treiben würde, für Musiker aber besonders schlimm ist: Er nimmt jedes Geräusch um sich wahr, und zwar verstärkt. Dennoch, auch durch die Unterstützung und den Zusammenhalt in seiner Band Phoria bedingt, macht der Songwriter und Produzent weiter. Auf „Volition“ betreibt das britische Quintett Klangforschung der besonderen Art, die mit ihrer verspielten und beinahe avantgardistischen Herangehensweise für Vergleiche mit James Blake und Sigur Rós sorgte.
Viel Luft, gefühlvolle Leisetreterei und minutiöse Kleinstarbeit zeichnen diese Platte aus. Phoria zeigen, wie man aus wenig richtig viel macht. Da wäre beispielsweise „Red“ mit seinen Handclaps, ein wenig Beat und Piano. Auf diesem Skelett tummeln sich Vocals und Samples – schlicht und doch so effektiv, weil die Mischung unter die Haut geht. Das gilt übrigens auch für den ungleich intensiveren Opener „Melatonin“, dessen mächtigen Synthi-Fanfaren auch in Dance- und Trance-Kreisen wunderbar funktionieren würden. Im Endeffekt sind sie in diesem Electrogaze-Mantel aber wesentlich besser aufgehoben, wie auch die hellen, hoffnungsvollen Vocals.
Zwischen Reduktion, Fragilität und Kraft entsteht etwas Besonderes. Die Offbeat-Lässigkeit von „Undone“ ragt sogleich heraus. Natürlich ist das Fundament stark von Post-Dubstep und vergleichbaren Gefilden beeinflusst, die unverkennbare Lieblichkeit der Briten mit einem Hauch Weltschmerz ist aber doch irgendwie anders, und das auf sehr angenehme Weise. Im Idealfall verlieren sich Phoria in ihren Songs – siehe und höre „Loss“, das in bester Post-Rock-Manier immer intensiver und lauter wird, schließlich aber in sich zusammensackt. Erinnerungen an die eingangs erwähnten Isländer werden wach.
Nicht durchgehend bärenstark und doch unheimlich faszinierend: Die Art und Weise, wie sich Phoria durch diese 50 Minuten hangeln, ringt Respekt ab. Große Gefühle, kleine Gesten und ein Hauch verwindbaren Füllmaterials gestalten „Volition“, das gleichzeitig Post-Pop und Electrogaze ist, alte Genrewelten durchbricht und neue Konstrukte erzeugt. Wichtiger als der analytische Geist ist aber das Bauchgefühl, und das summt bereits nach wenigen Sekunden wohlwollend mit.
Volition
VÖ: 03.06.2016
Humming Records (Rough Trade)
Phoria @ Home | @ Facebook
„Volition“ @ Amazon kaufen