Everything Everything – Raw Data Feel

Everything Everything
(c) Kit Monteith

Auf „Re-Animator“ folgte die Flaute. Everything Everything waren mit ihrem neuen Album definitiv zufrieden, doch kam es nicht num erhofften Staging. Man suchte nach Wegen, diese Leere zu kaschieren. Sänger Jonathan Higgs stieß dabei auf die Welt der Künstlichen Intelligenz und erklärte sie direkt zum inoffiziellen fünften Bandmitglied. Weltliteratur, Geschäftsbedingungen und Kommentare zweifelhafter Internetforen wanderten in den Computer und unterstützten die Mission, Horror und Trauma in etwas Positives zu verwandeln. Entsprechend vertraut und doch anders klingt „Raw Data Feel“.

Die entstanden Songs sind durchaus schräg und doch eingängig wie Sau, so wie man sich das von Everything Everything erwartet. „Pizza Boy“ ist vorwitzig und sexy, das Spiel mit einer an die Pet Shop Boys erinnernden Bassline und understatetem Falsett gelingt. Im aufgedrehten „HEX“ spielt das Quartett mit den Reglern, wird laut und unruhig, von gefühlt drölfzig Melodien gleichzeitig befeuert. In diesem Aufruhr verbirgt sich eine herrlich kaputte Perle. Hingegen bemüht „Born Under A Meteor“ die sinnliche Entschleunigung und erinnert mit seinem Mix aus Soft-Pop/Rock und hohem Stimmregister an a-ha, ohne cheesy zu wirken – eine gelungene Gratwanderung.

Überhaupt gibt es auf dieser Platte so verdammt viel zu entdecken. Das eröffnende „Teletype“ holt sich einen mächtigen Beat in den Mix, die flirrenden Synthis spielen mit 80s-Charme und passen doch perfekt zu den jüngsten Werken der Band. Das gilt auch für das flotte, frontale „Bad Friday“. Zwischen Stimmgewirr und hibbeliger Tanzbarkeit zeigen sich Everything Everything in bestechender Form. Gitarren rücken noch weiter in den Hintergrund, wiewohl sie in zeitweise schmachtenden „Metroland Is Burning“ eine wichtige Rolle spielen, Augenzwinkern inklusive. Wer hingegen die nervöse Energie des Quartetts schätzt, lässt sich das abgedrehte und doch harmonische „Cut UP!“ nicht entgehen.

Ja, „Raw Data Feel“ ist der logische nächste Schritt von Everything Everything, die tatsächlich noch eine Spur poppiger und synthetischer rüberkommen, ohne dabei ihre Wurzeln zu verleugnen. 14 kleine Ohrwürmer auf knapp 54 Minuten überfordern nie und ziehen sogleich gefühlt in alle Richtungen auf einmal. Es gibt die nervösen Energiebündel, die gefühlvollen Balladen, die Retro-Einschübe, den Bleep-Wahnsinn und die kunstvollen Indie-Reste, kondensiert auf unaufdringliche und zugleich so willkommene, so anschmiegsame Mini-Hits. Es gibt aktuell wohl kaum einen besseren Pop-Act als Everything Everything.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 20.05.2022
Erhältlich über: Infinity Industries / AWAL Recordings (Rough Trade)

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