Automatic – Excess
‚Motorik-Pop‘ – ein spannender Name für den Sound von Automatic, die sich dem Underground-Sound der späten 70er widmen, bevor dieser in den 80ern zum Symbol für kommerziellen Ausverkauf verklärt wurde – Electro, New Wave und Synthie Pop, um ein paar ungefähre Orientierungshilfen zu nennen. Das Trio aus Los Angeles nimmt dies zum Anlass für einen ungeschönten Blick auf die Unternehmenskultur der Gegenwart, auf Maßlosigkeit, Entfremdung und falsche Hoffnung. „Excess“ nennt sich das zweite Album der US-Amerikanerinnen und trifft den sprichwörtlichen Nagel auf den synthetischen Kopf.
„New Beginning“, der Neuanfang, bezieht sich auf die nihilistische Annahme, irgendwo da draußen einen besseren Ort zu finden, während die Superreichen mit ihren Raketen um diesen Erdball kreisen. Schnell nimmt der Track spritzige Fahrt auf, tankt sich durch einen ultrahibbeligen, nervösen Beat und überdreht die entfremdeten Synthis komplett. Daneben wirken die Vocals fast schon brav. Ein ähnliches Rezept verfolgt „NRG“, wobei der Gesang hier deutlich dominanter rüberkommt. In Kombination mit dem geradlinigen und doch schroffen Arrangement entsteht ein bizarres wie bekömmliches Statement des energischen, energiereichen Untergangs.
In „Automaton“ bemühen Automatic die vollkommene Übertreibung des Understatement. Das beginnt bereits bei der Überlänge und gipfelt in experimentellen Synthie-Auswüchsen mitten in einem fast statischen Konzept, das an die Underground-Clubs vor dem Wave-Boom erinnert. Nach und nach drehen sich die Regler in einen Rausch. Im Vergleich dazu wirkt „On The Edge“ fast schon konventionell, drückt gelegentlich ein Leitmotiv durch und hat eine Art Hook; wie auch das folgende „Skyscraper“, in sich ruhend und doch so eindringlich. Das abschließende „Turn Away“ klingt nahezu versöhnlich, seidenweich und blubbert zugleich gar wundervoll – vielleicht das deutlichste Pop-Bekenntnis dieser Platte.
Der stete Fluss des Seins und Scheins, des Massenkonsums und der Vergänglichkeit, bringt ein überaus sympathisches Album hervor, das natürlich sofort ins Ohr geht, es aber keinesfalls darauf anlegt. Tatsächlich schwingt eine gewisse Underground-Kultur in „Excess“ mit, ein wilder Synth-Romp vor der kommerziellen Explosion des Genres, stellenweise leicht artverwandet mit LCD Soundsystem, wenn man so will. Automatic gelingt eine zweite richtig gute Platte, der man sich nicht entziehen kann, geschweige denn will – alles eitel und Sonnenschein im sehenden Auges der konstanten, selbstzerstörerischen Maßlosigkeit.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 24.06.2022
Erhältlich über: Stones Throw Records / PIAS (Rough Trade)
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