Skorts – Incompletement

Skorts
(c) Nico Malvaldi

Es ist eine Geschichte, wie sie nur der Rock schreiben kann: 2021 zog Sängerin und Gitarristin Alli Walls von Denver nach New York, um Musik zu machen. In einem Gitarrenladen lernte sie Char Smith kennen, erste Demos entstanden. Vor einer Bar wurde Bassistin Emma Welch angelacht, etwas später komplettierte Max Berdik an den Drums das Line-up. Als Skorts gilt das Quartett seit einigen Jahren als NYC-Club-Sensation, spielt in jedem noch so kleinen Laden und arbeitet sich in den Proberäumen der Stadt ab. Gewissermaßen ist der Einstand „Incompletement“ eine Art Greatest-Hits-Album, kennt man – zumindest in der lokalen Szene und bei digitalen Tastemakern – doch bereits ein Gros des Materials.

Tracks wie „R4DR4M“ nehmen den Drive von der Bühne mit ins Studio. Da wäre beispielsweise das mechanische Drumming, das normalerweise mehr als zwei und weniger als vier Ausrufezeichen verlangen sollte. Arty Punk trifft auf herrlich schrammelnde Indie-Gitarren und gleichermaßen leichtfüßige wie pointierte Vocals – tanzbar, poppig, etwas psychedelisch und doch so zwingend. Das ist die Kunst von Skorts, die ihre Songs mit massig Ideen vollpacken und aus vertrauten Zutaten etwas komplett Eigenes basteln. Das gilt auch für „Dizzy“, in anderen Händen wohl kantiger No Wave, hier jedoch mit luftig-verträumter Gemächlichkeit versehen und im besten Sinne über den Dingen stehend.

Das zwingende „Eat Your Heart Out“ rollt langsam und bestimmt an. Schlagzeug und Bass grollen, die Gitarren werden vorsichtig aufgetürmt, während die Gesangsmelodie wiederholt aufgebrochen wird – zur Eskalation bereit, leicht schaumgebremst und doch voller Energie. Wohin die Reise gehen soll, bleibt gerne mal offen, wie auch im herrlich schwerfälligen „Bodies“, dessen Überangebot an Melodien der vermeintlichen Ruhe entsteigt und Hooks en masse abliefert – kontraintuitiv und doch so packend, gerade im gitarrenlastigen Schlussakt. Auf ganz andere Weise packt das überlange „I Won’t Be The One“ zu, dessen anfängliche und oberflächliche Beiläufigkeit von Drumsalven und einem angedeuteten Solo aufgebrochen wird. Wie das Arrangement anschwillt und das Crescendo versanden lässt, macht Laune.

Fast schaumgebremst im Vergleich zum vermittelten Live-Erlebnis und doch so unheimlich zwingend: Skorts schaffen mit ihrem Einstand ein Kunststück kleinerer Widersprüche, die mit Begeisterung aufgelöst werden. Die neun Songs brauchen zugegebenermaßen etwas länger, um zu zünden, bis sich aus der zurückgelehnten Beiläufigkeit die erhoffte Intensität schält. Sie ist vorhanden, möchte aber noch ein wenig nachschlafen. Und dann, urplötzlich, kann man sich „Incompletement“ nicht mehr entziehen. ‚Aura‘ ist mittlerweile fast zum semi-jugendlichen Unwort geworden, doch besitzt dieses Debüt eben jene in rauen Mengen. Ganz starke Sache.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 31.10.2025
Erhältlich über: InKind Music (Membran)

Bandcamp: skorts.bandcamp.com
Instagram: www.instagram.com/skorts_