Culcha Candela – Flätrate

Culcha Candela

Culcha Candela stehen seit 2004 für einen internationalen Kultur-Mix, der sich sowohl in Text und Musik widerspiegelt. Mit zunehmendem Erfolg verschwanden die Fremdsprachen aus den Hit-Singles, genauso wie die südamerikanischen Einflüsse aus der Musik. Dafür nahmen die poppigen und mittlerweile auch elektronischen Beats zu. Diese Entwicklung setzt sich auf dem fünften Studioalbum „Flätrate“ fort: mehr Elektro, mehr deutsche Proll-Texte. Und doch sind Culcha Candela immer noch anders als die anderen Bands und damit weiterhin einzigartig.

Natürlich gibt es auf „Flätrate“ die typischen Culcha Candela-Nummern, die man mittlerweile auch von ihnen erwartet. Die erste Single „Hungry Eyes“ und auch „Am Start“ kommen ganz klar nach den Vorbildern „Hamma“ und „Monsta“. „Am Start“ besitzt durch die geschickten Wortspiele aus dem Car-Tuning-Bereich einen besonderen Reiz, wirkt aber dadurch automatisch eine Spur prolliger. Der Refrain und auch der restliche Songaufbau sind eine wahre Ohrwurm-Kunst und so ist hier ein Hit bereits vorprogrammiert. Auch „Megaherz“ hat dieses Ziel und überzeugt durch lustige Wortspiele. Diesmal befinden wir uns im Computer-Sektor: „Du machst meine Hardware ganz weich mit deinem Megaherz“. Man fühlt sich beinahe an die Zeiten von „Das Modul“ erinnert, auch wenn zum Glück keine 90s-Techno-Beats zum Einsatz kommen. Der Kitsch-Faktor ist hier jedoch deutlich erhöht. Dieser wird bei „Dieses Gefühl“ noch mal verdoppelt, wir bewegen uns textlich nahe am Schlager-Genre. Hat man diesen ersten Eindruck verkraftet, erkennt man aber eine herrlich befreiende Pop-Nummer, die trotz quietschenden Elektro-Sounds nicht hektisch, sondern eher entspannt daherkommt.

Auch bei „Von allein“, eines der großen Highlights von „Flätrate“, quietscht es in Dirty-Dutch Manier. Die Verbindung des angesagten Electro-Stils aus den Niederlanden mit südamerikanischen Soca-Beats funktioniert überraschend gut. Klingen die ersten Takte noch nach Pitbulls ersten Dance-Versuchen, bekommt man schnell etwas völlig Neues geboten. Hier tauchen dann auch die spanischen Shouts von Don Cali wieder auf und man spürt durch die modernen Sounds hindurch den wahren Spirit von Culcha Candela. Mit dieser Nummer könnten die Candaleros für Abwechslung sorgen und mit den Soca-Rhythmen einen neuen Trend in Deutschland setzen. Der Refrain ist energetisch und lädt zum Mitsingen ein. Im Rahmen der Fussball-EM könnte der Song „Von allein“ im Frühjahr zu einem großen Hit werden.

Generell wirkt sich der Einsatz von spanischen und englischen Elementen auf die Songs durchweg positiv aus. So zählen das Dancehall-Monster „Rise und Shine“ und „Mami“ zu den erfrischenden Abwechslungen. Letzteres ist innovativ gebaut und verwendet teilweise ganz unkonventionell brodelnde Basslines. Auch „Big Fat Smile“ klingt interessant anders. Der elektronischen Ragga-Song kombiniert englischen Gesang mit spanischen Raps und wirkt dabei äußerst ausgeglichen und entspannt. Hat man sich an die Nummer gewöhnt, geht einem vor allem der von Mr. Reedoo gesungenen Refrain nicht mehr aus den Ohren.

Natürlich haben die Jungs, die nach dem Ausstieg des kolumbianischen Rappers Lafrotino nun nur noch zu sechst sind, auch den ein oder anderen Sommerhit im petto. „Blaumann“ klingt nach Sommer, Sonne, Sonnenschein und ist dabei herrlich entspannt: „Ich steh nicht auf so wie immer, häng in meinem Zimmer, spiel mit meiner Katze Mau Mau. Das Wetter ist überkiller, ackern kann ich immer, heute mach ich einfach blau.“

Der Titelsong und Opener „Flätrate“ dagegen ist ein absoluter Party-Smasher. Ohne Probleme erkennt man hier Anlehnungen an Party-Klassiker wie „Der goldene Reiter“ und „Just Can’t Get Enough“, geschickt kombiniert mit jeder Menge Gegröle und gesellschaftskritischem Text. Dieser wurde ähnlich wie bei „Schöne neue Welt“ partytauglich verpackt. Allerdings ist das diesmal nicht so deutlich erkennbar, so dass es das Party-Volk wahrscheinlich gar nicht bemerken und völlig überhören wird. Überhören kann man gerne auch den Track „Wildes Ding“. Hier liefern Culcha Candela sehr auffällig die deutsche Version von Guettas „Sexy Bitch“. Die elektronischen Beats und auch der Refrain zielen eindeutig auf den großen Chart-Hit ab. Gerade da die Nummer bereits von anderen Acts schon oft kopiert wurde wäre dies nicht noch einmal nötig gewesen.

Fazit: Das neue Studioalbum bietet 15 sehr unterschiedliche Songs. Einige brauchen mindestens einen zweiten Hör-Durchgang – die einen, da sie eher experimentell sind, die anderen da sie gerade durch den Text zunächst etwas platt und prollig wirken. Zwischendurch reihen sich aber immer Songs ein, die schon beim ersten Hören zünden. Hat man sich ein paar Mal durchgehört, ist auch „Flätrate“ ein gelungenes Album, das den ursprünglichen Pfad von 2004 sicher weiter verlässt, den Wurzeln jedoch nicht ganz den Rücken kehrt. Mit einigen Songs gibt es sogar noch Hoffnung, dass man sich irgendwann wieder mehr in Richtung „back to the roots“ orientiert und den kulturellen Einflüssen wieder mehr Platz lässt. Im Grunde liegt es vor allem an der zukünftigen Single-Auswahl, in welche Richtung die Reise gehen wird. Mit diesem Album ist die Band durchaus bereit die beiden bislang durchlaufenen Phasen ihrer Karriere zu kombinieren und bald eine neue „Generation Culcha“ einzuläuten.

VÖ: 25.11.2011
Urban (Universal Music)

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