Nick Cave & The Bad Seeds – Push The Sky Away

Nick Cave & The Bad Seeds

Weiter, immer weiter – so etwas wie eine Auszeit gibt es für Nick Cave nicht. Grinderman haben mittlerweile das Zeitliche gesegnet, womit jener kratzige, sexualisierte Noise Rock, der auch die letzte Bad Seeds-Platte „Dig, Lazazus, Dig!!!“ maßgeblich beeinflusst hat, Geschichte ist. Der Australier lässt nun die musikalische Antithese auf den Plan treten, setzt vornehmlich auf instrumentalen Minimalismus und stille Wiederholungen. Für die Arbeiten am 15. Studioalbum „Push The Sky Away“ zog er sich in ein französisches Herrenhaus aus dem 19. Jahrhundert zurück, befasste sich mit Wikipedia-Absurditäten, endlosen Google-Suchen, urbanen Mythen und der Vergänglichkeit von Mode-Erscheinungen.

Caves Zugeständis an diese modernen Zeiten ist der Opener „We No Who U R“ bzw. dessen obskure Textspeak-Schreibweise. Xylophonartige Klänge, eine Flöte und ein Kinderchor zelebrieren die Depression. Auch „We Real Cool“ bedient sich eines absurden Titels, schleicht musikalisch ebenfalls auf leisen Sohlen, wobei die donnernden, dennoch stets zurückhaltenden Gitarren nebst Streichern an die Placebo-Version von „Running Up That Hill“ erinnern. Cave selbst will damit natürlich nichts zu tun haben, er widmet sich obskurem Wahnsinn. „Higgs Boson Blues“ ist erzählerisch entfernt mit „More News From Nowhere“ verwandt, beruft sich auf den Robert Johnson-Mythos und lässt Miley Cyrus sowie deren Disney-Alter Ego Hannah Montana auftreten. Man muss nicht verstehen, wie es dazu kommt (möglicherweise die Ausgeburt einer jener Endlos-Google-Sessions), die knapp acht Minuten Minimalismus und Erzählkultur setzen ein kräftiges Ausrufezeichen.

Man könnte meinen, der Australier suhlt sich in seinem multimedialen Wahnsinn. „Jubilee Street“ ist für sich bereits eine Großtat, ein hypnotischer Gedankengang vorbei an kuriosen Häuserzeilen und latentem Wahnsinn. Ein wenig später nimmt Cave seine eigene Steilvorlage auf, erzählt in „Finishing Jubilee Street“ davon, besagte Großtat gerade fertig geschrieben zu haben, und verfällt in einen wilden, schaurig schönen Fiebertraum, durchzogen von sexuellen Anspielungen und erfrischender Schizophrenie. „Mermaids“ hingegen greift den Grinderman-Faden auf. Nein, die Bad Seeds suhlen sich nicht etwa in Noise und Feedback-Schleifen, es ist Cave, der versaute, dilletantische Zeilen aneinander reiht und damit die tumben Tiefen seiner unorthodoxen Recherche-Arbeit zelebriert.

Der Wahnsinn hat auf „Push The Sky Away“ Methode, kranker Geist und musikalisches Understatement nebst Schleifenarbeit heben gemeinsam Gräber aus. Nick Cave hat die Online-Büchse der Pandora geöffnet und aalt sich in der sinnlosen Existenz ihrer User. Textlich sowieso ein Meisterwerk, muss man sich die Songs ein wenig erarbeiten. So zugänglich, geradezu überschwänglich „Dig, Lazarus, Dig!!!“ war, so scheu und verstohlen linsen die Arrangements auf „Push The Sky Away“ um die Ecke. Erst nach zwei, drei Durchläufen packen Cave und die Bad Seeds den Hörer an seiner imaginären Gusto-Gurgel und lassen nie mehr los; ein weiteres Meisterwerk, dem Spätherbst ein logischer Abgesang.

Nick Cave & The Bad Seeds - Push The Sky Away

Push The Sky Away
VÖ: 15.02.2013
Bad Seed Ltd. (Rough Trade Distribution)

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