Jónsi – Obsidian

Jónsi
(c) Barnaby Roper

Nach seinen zuletzt eher poppigen Soloalben versucht Jónsi einen neuen Ansatz. Das Sigur-Rós-Mitglied präsentiert ein Überraschungsalbum zu seiner aktuellen Kunstinstallation. Hooks und Beats sind hier überwiegend fehl am Platz, aber was heißt das für die neue Platte? „Obsidian“ bemüht Klänge, die man eher der Hauptband zuordnen würde, die mit dieser aber eigentlich auch nur rudimentär etwas am Hut haben. Ausladende Flächen, viel Ambient und Reduktion, dazu ein paar elektronische bis technoide Exkurse wagen sich zu neuen Ufern vor.

Somit sind diese 67 Minuten auch nur rudimentär als Songs zu verstehen, sondern mehr als Vehikel der atmosphärischen Klangschalen, mit denen Jónsi sein Kunstprojekt ausstattet. Häufig bewegt er sich in ruhigen, reduzierten Gefilden. Der Titelsong „Obsidian“ mit vergleichsweise prominentem Gesang schwebt in gefühlvoller Leichtigkeit über den Dingen, wirkt wie von einem anderen Stern. Das bringt ein paar vertraute Referenzen mit, aber auch nur im Ansatz. Ähnliches entdeckt „Kvika“ für sich mit seinen feenhaften, anmutigen Spannungsbögen, die letztlich von Reduktion leben.

Ausbrüche sind selten, dafür grandios. So hat „Cypriol“ etwas von technoidem Minimal, ohne über die Club-Stränge zu schlagen. Das kennt man am ehesten von Kiasmos, doch erhält der Track selbstverständlich den etatmäßigen Jónsi-Spin. Die Magie von „Ambrox“ entfaltet sich hingegen auf Raten. Viele leere Flächen schweben zwischen den Dingen, nur um ohne Vorwarnung ein aufbrausendes Crescendo heraufzubeschwören. Und dann fällt das Konstrukt wieder sanft zusammen. „Hedione“ braucht für diese Idee sogar fast 13 Minuten und entdeckt das Limit dieses Konzepts. Als wohlige, fließende Ambient-Nummer ist aber auch dieser Exkurs prima.

Dieses stete Flimmern und Flirren im reduzierten Rahmen legt natürlich ungeahnte Welten frei, am ehesten mit „Riceboy Sleeps“ vergleichbar. Jónsi reizt die Kunstform nun allerdings stärker aus, bemüht das Medium der Ambient-Reduktion geschickt und setzt lautere Töne mit Bedacht, nur bei absoluter Notwendigkeit ein. Entsprechend erzeugt „Obsidian“ einen wunderbaren, entspannten Fluss mit dem idealen Maß an marginaler Aufregung, wie eine gute Soundtrack-Platte. Und letztlich ist dieses Album auch ein Soundtrack für das Kunstprojekt des Isländers, und doch so viel mehr – ein kleiner Leckerbissen für die stillen Momente.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 30.10.2021
Erhältlich über: Krunk

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