Hippie Trim – What Consumes Me
Erst die Explosion, dann der Lagerkoller: Nach nur einer erschienenen Single spielten Hippie Trim ihre erste, gleich ausverkaufte Show, durften kurze Zeit später die famosen Drug Church begleiten und klopften ein packendes Album hinterher. Im pandemischen Koller, der erst einmal den Wind aus den Segeln nahm, traten gute und schlechte Tage auf, die sich auf das neue Material auswirkten. Wenn die Studio- und Aufnahmezeit zum Ausbruch aus dem stagnierenden Alltag für Bands wurde, wenn hinter jeder Ecke eine Polizeikontrolle wegen der Anzahl an Personen im Fahrzeug zu befürchten war … in dieser unruhige, unbeständigen Zeit entstand der Zweitling „What Consumes Me“.
Punk, Emo, (Post-)Hardcore und viel mehr kommen ein weiteres Mal zusammen und finden in „Fade“ ein gemeinsames Zuhause. In knapp vier Minuten stecken Hippie Trim ihr Territorium mit stoischer Ruhe und mächtiger Eingängigkeit ab. Wütende Vocals kollidieren mit Harmonien, der Unterbau wirkt unruhig und doch schmeichelnd, der Aufgalopp erinnert sogar etwas an Touché Amoré. Hingegen fällt „Not Today“ zunächst mit der Tür ins Haus, nur um dann etwas zu kuscheln. 90s-Alternative-Klänge mit kräftiger Shoegaze-Schlagseite betonen die melodische, verträumte Seite des Quintetts, bevor die nächsten heiseren Shouts durchs Gebälk rattern und Melancholie in den Mittelpunkt rücken.
Das ruppige „Reef Blower“ zeigt Zähne und Mittelfinger, während die rockigen Einschübe mittendrin das Harmoniebedürfnis vorantreiben. Eine gewisse Zerrissenheit lässt sich nicht von der Hand weisen, Schwermut schwingt nahezu stetig mit. Das anschließende „Dead Heat“ deutet die überdimensionale Abrissbirne an, besinnt sich dann doch auf zeitlose Melodien, auf punkigen Esprit, auf Bedrückung und Seelensuche. Dort lauert bereits „Steady Dreaming“, ein weiterer 90s-Exkurs von bleierner Schwere, hoffnungslos und liebreizend zugleich. „Hooked On U“ schaut unter anderem bei Pabst vorbei und vermengt ein wenig Schweiß mit verschmitztem Charme.
Ein gewaltiges Wechselbad der Gefühle später ist die sprichwörtliche Messe gelesen. In etwas über einer halben Stunde arbeitet sich das ruppige Harmoniebedürfnis von Hippie Trim gleichermaßen in Herz und Ohr vor. Ja, die Tracks auf „What Consumes Me“ können gelegentlich ganz schön wütend und sperrig anmuten, sind aber eigentlich ganz und gar liebreizend, durchaus charmant. Selbst in den brachialen Momenten steckt ganz viel Gefühl von einer Band, die aus ihren kollektiven Herzen keine Mördergrube macht. Dicke Melodien, schemenhafte Pit-Action und beklemmende, aufwühlende Zwischentöne spinnen den Faden logisch und mitreißend weiter – ein Erfolg auf ganzer Linie.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 16.09.2022
Erhältlich über: Supervillain (Blood Blast Distribution)
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