iedereen – Neue Mitte

iedereen
(c) Jakob Seilter

Herrlich lärmig, launig und frontal, so zeigten sich iedereen im Vorjahr auf ihrem ersten Album. Und das mit etwas Anlauf, denn Schlagzeuger Ron Huefnagels und Gitarrist und Sänger Tom Sinke, die sich seit dem Kindergarten kennen, hatten lange Jahre mit verschiedenen Musikern Jam-Sessions gespielt, bevor man sich auf die Duo-Besetzung festlegte. Dann unzählige Gigs, unfreiwillige Pausen und schließlich ein herrlich kantiger Einstand mit spielerischer Leichtigkeit. Der Nachfolger ist nun da: „Neue Mitte“ bringt den vertrauten (Spiel-)Witz mit und glättet im Bedarfsfall sogar die Kanten in Richtung Eingängigkeit.

Das drängt „Angebot“ beispielsweise in Richtung New Wave und NDW. Sofort hat sich die Gitarre eingebrannt, während der Refrain mit kleineren hymnischen Muskelspielen tatsächlich noch mehr herauskitzeln kann und erkennt, dass Geld nicht alles im Leben ist. Hingegen haut „Kreidebleich“ auf ganz andere Weise auf die Pauke, lässt sich von giftigen Drumsalven tragen und haut gallige Garage-Punk-Eruptionen raus. Ob man sich dabei gut fühlt oder nicht, bleibt egal. „Geht’s nur gut?“ überrascht mit einem Bekenntnis zu ruhigen Indie-Momenten, schwelgt ein wenig und erhebt getragene Töne zur Triebfeder für magische Momente.

Und die hat dieser Zweitling in rauen Mengen, so vielfältig und unorthodox wie möglich. Ist der Titelsong „Neue Mitte“ etwa ein Ausläufer der Hamburger Schule? Die Jugendbewegung droht in Oberhausen zu versanden, während das Spiel mit Laut-Leise-Dynamik seinen Höhepunkt erreicht. Wenigstens erfüllt sich der Traum von orangener Haut nicht. Gedrückt schleicht „Klosterfrau Melissengeist“ durch vorwitzige Untiefen, schielt in Richtung Noise und Punk und taucht dann doch ab. Später erhebt sich „Lächeln oder lachen“, holt die frechen 80er zurück und bricht den doppelten Boden nur auf Raten auf. Das bouncige Post-Punk-Riff passt prima ins Bild.

Gewohnt schräg, etwas undurchsichtig, dafür deutlich zwingender: iedereen gehen ihren Weg weiter und liefern eine unfassbar eindringliche Platte ab, die die Brechstange mit einer kapitalen Offensive des Charmes und der Wortwitzigkeit verbindet. Klingt komisch? Soll es vermutlich auch, denn das zweite Album des Duos mag es ebenso schräg und abgefuckt. Aber zudem eine Spur melodischer, mit mehr Hooks und Harmonien, zwingenden Pop-Momenten und unzähligen anderen Ideen. Die Garage grüßt ebenso wie die 80er, deutschsprachige Indie-Klänge konfrontieren die 90er, bevor die noisige Alternative ums Eck biegt und alle vertreibt. Das ist sie, die „Neue Mitte“, und man möchte sie nicht mehr missen.

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 17.10.2025
Erhältlich über: Eigenvertrieb

Website: www.iedereen.de
Facebook: www.facebook.com/iedereen.band