Dredg – Chuckles And Mr. Squeezy

Dredg

Vor Dredg muss man den Hut ziehen. Wie sich das Quartett aus Los Gatos, Kalifornien von ihrem genial durchdachten Indie-Release „Leitmotif“ über die Modern-Prog-Blaupause „El Cielo“ hin zu den deutlich eingängigeren, cleveren Werken „Catch Without Arms“ und „The Parrot, The Pariah, The Delusion“ entwickelt haben, ist durchaus beeindruckend. Wer das letzte Album bereits als zu ‚massenkompatibel‘ empfunden hat, darf es nun mit der Angst zu tun bekommen. Auf „Chuckles And Mr. Squeezy“ zelebrieren Dredg ihre Vision von düsterer Popmusik. Ohne Netz und doppelten Boden.

Erst einmal tief durchatmen: Dan The Automator (Handsome Boy Modelling School) hat geholfen Dredg in neondüstere Outfits zu stecken und sämtliche Widersprüche hervorzukehren, die sich rein musikalisch nur finden ließen. Soll heißen: Progressiv orientierte Songs gibt es noch, allerdings in semi-radiotauglichen Klangsphären. Man ziehe exemplarisch den Opener „Another Tribe“ heran mit seinen Strings aus der Dose und dem synthetischen Basslauf nebst Gavin Hayes‘ gewohnt bedeutungsschwangerer Phrasierung. Klingt zumindest ungewohnt, vor allem wenn in „Where I’ll End Up“ dem Schlager gehuldigt wird. Darf man das denn noch gut finden?

Die vielsagende Antwort: man kann. Der sprichwörtliche Teufel versteckt sich im Detail, in den vermeintlich unspektakulären Momenten. Mit seinen stark verzerrten, sporadisch eingesetzten Gitarren bricht „Upon Returning“ zunächst das Eis, bevor das unterkühlte „The Tent“ frostige Stimmung verbreitet – schmerzhaft ehrlich, angenehm minimalistisch gehalten, in seiner nachdenklichen Melancholie eine echte Bereicherung. „The Ornament“ ist eine fragile Hymne, ein von zarten Dredg-Gitarren durchzogener Song, der nur oberflächlich nicht in die Puschen zu kommen scheint. Viel mehr wird hier jenes Understatement zelebriert, dass das kalifornische Quartett Zeit ihrer Karriere so groß gemacht hat. Wer es direkter mag, darf die Single „The Thought Of Losing You“ (tanzbarer Gitarren-Pop im weitesten Sinne) und den dramatisch inszenierten Hatscher „Sun Goes Down“ genießen – Hits, ganz offen und ehrlich zur Schau gestellt.

Ohne Frage spaltet „Chuckles And Mr. Squeezy“ die Lager, wie man bereits jetzt in zahlreichen Diskussionsforen nachlesen kann. Manche lieben die Kompromisslosigkeit gen Düster-Pop und die Wandlungsfähigkeit der Herren aus Los Gatos, andere wiederrum erkennen ihre Lieblingsband nicht wieder. Hat man von Dredg wirklich mehr erwartet, oder schlicht und ergreifend ein gänzlich anderes Album? Wenn man sich mit den Songs näher auseinandersetzt, wird das alte Songwriting-Genie wiedererkannt. Es steckt nur in einem ganz anderen Gewand. Und doch möchte man irgendwie die faszinierenden Gitarrenlandschaften von „Same Ol‘ Road“ und „Bug Eyes“ zurück. Vielleicht beim nächsten Mal. Clever und stark inszeniert ist „Chuckles And Mr. Squeezy“ dennoch, auch wenn man die imaginäre ‚Sellout‘-Grenze in den Augen vieler überflogen hat.

VÖ: 29.04.2011
Vertigo Berlin (Universal Music)

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