Retro Stefson – Retro Stefson

Retro Stefson

Island, so denkt man, sei aufgrund seines Klimas und Künstlern wie Björk und Sigur Rós eine magische Eislandschaft. Natürlich ist das Quark, wie man spätestens seit „Kimbabwe“, dem internationalen Debüt und gleichzeitig insgesamt zweiten Album von Retro Stefson weiß. Das blutjunge Septett vermischte Afrobeat und World Music mit Rock, Pop und Electro auf schwer zu kategorisierende, dafür überaus tanzbare Art und Weise. Mittlerweile haben sich die Isländer nicht nur einen Ruf als gute Liveband erspielt, ein neues Album haben sie ebenfalls im Gepäck. Wer „Kimbabwe“ mochte, muss sich auf „Retro Stefson“ erst einmal zurecht finden.

Statt kuriosem Crossover und proggigen Wellenbrechern wie „Kimba“ wurden nun Keyboards und Elektronik in den Mittelpunkt gerückt. Was sich bereits auf dem Vorgänger angedeutet hat, wird nun verwirklicht, wobei die Isländer nach wie vor mit einer echten Rhythmusabteilung und – wenn auch deutlich versteckteren – Gitarren arbeiten. Man nehme beispielsweise „Qween“, das anfangs wie ein schüchterner, verstohlener Electro-Popper klingt. Nach ca. eineinhalb Minuten hält ein unwiderstehlicher Drumbeat Einzug, der Afrobeat-Wellen und Disco-artige Klänge freisetzt. Auch das Sprachengewirr von „Kimbabwe“ findet hier wieder statt. Wovon Unnsteinn Manuel Stefánsson singt, weiß man nicht so genau.

Die überwiegende Mehrheit der neuen Songs kommt erst nach gewissen Anlaufschwierigkeiten in die Gänge. So auch die Video-Auskopplung „Glow“, die sehr brav, geradezu nachdenklich beginnt und sich in einen von Percussion und mehrstimmigen Passagen angetriebenen Tanzflächen-Füller steigert. Aufdringlich, wenn man das so sagen kann, ist bestenfalls „Time“ mit seinen schrillen Vocal-Samples und einer Amiga Power-Melodie – muss man in dieser Form nicht haben. Viel interessanter ist da schon „Fall“, das wie ein seichter Wave-Pop-Track beginnt, unter dem schwülstigen 80s-Mantel jedoch feinsinnige, beinahe beseelte Klänge bereithält. Auch „Miss Nobody“, einer der seltenen Momente, in denen die Isländer die Gitarren in den Vordergrund rücken, hat ordentlich Power, versteckt hinter zahlreichen undefinierbaren Schichten.

Vor allem dauert es eine ganze Weile, bis dieses Album in Schwung kommt. „Retro Stefson“ ist insgesamt zurückhaltender, netter, wirkt wie die Antithese zum Spieltrieb der beiden ersten Platten. Die Isländer haben synthetische und elektronische Klänge vollends für sich entdeckt und rücken diese in den Vordergrund. Besondere Momente und Hits gibt es nach wie vor, es dauert nur eine ganze Weile, bis man sie entdeckt. Nicht jeder Song erschließt sich, gelegentlich („Solaris“, „(o) Kami“) drohen Retro Stefson in ihrem beträchtlich verengten Korsett nicht ausreichend Luft zu bekommen. Es bedarf einiger zusätzlicher Durchläufe, bevor der Spaßfaktor von „Kimbabwe“ einsetzt. Spannend ist dieses schwierige, durchaus ansprechende dritte Album allemal.

Retro Stefson

Retro Stefson
VÖ: 22.03.2013
Les Frères Stefson (Rough Trade Distribution)

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