Retro Stefson – Kimbabwe
Wer bei isländischer Musik immer noch an die beschaulich magischen Klanglandschaften von Sigur Rós denkt, wird bei Retro Stefson tellergroße Augen machen. Die sieben Youngsters (Durchschnittsalter: 20 Jahre) würzen ihren tanzbaren Indie-Pop mit lupenreinen Afrobeat-Einflüssen Marke Fela Kuti und einer kräftigen Dosis Prog Rock. Klingt komisch, funktioniert aber hervorragend. Mit ihrem zweiten Album „Kimbabwe“ debütieren sie nun auch in Deutschland überaus stark, Sommerhit und Retrospektive inklusive.
Natürlich kennt man Retro Stefson vor allem durch die Single „Kimba“ – eine wahnwitzige Mischung aus Afrobeat und (Prog-)Rock-Elementen, perfekt für den Sommer geeignet und mit einem genialen Video gesegnet. Welche Sprache sie singen, ist unklar, wie überhaupt der Sprachenmix ein großes Thema ist. So wurde beispielsweise „Velvakandasveinn“ von der isländischen Ausgabe des Albums als locker-flockiges „Planetarium“ neu aufgenommen und mit einem englischen Text versehen. „Fjallaténor“ ist dafür beispielsweise in der Landessprache gehalten, während man in „Mama Angola“ portugiesische Wortfetzen zu erkennen meint – ein Hoch auf die Globalisierung.
Überhaupt ist jenes „Mama Angola“ ein veritabler Hit, angenehm tanzbar und noch deutlicher auf Sommer getrimmt, einer weiteren Singleauskopplung mehr als nur würdig. Auch „Eusebio“ – möglicherweise eine Hymne auf den portugiesischen Fußball-Weltstar – passt ins Bild, auch wenn der etwas schräge Mittelteil in punkto Rhythmik entfernt an die Battles erinnert. „Low“ hingegen überrascht als verkappter Post Rock-Track – fragile Vocals inklusive. Auch drei Tracks ihres 2008 in Island erschienenen Debüts „Montaña“ haben es aufs Album geschafft, von denen vor allem „Medaillon“ hervorzuheben ist – eine ungestüme Afrobeat- / Post-Polka- / Wasauchimmer-Rock-Mischung mit ein paar französischen Brocken. Klingt ein wenig nach Autoscooter wie auch das schräge „Senseni“, das nach der Hälfte in Richtung Eurodance abzudriften scheint.
Genre-Schubladen sind Retro Stefson wohl (fast) ebenso fremd wie der graue Alltag. Zu siebt tauchen die jungen Isländer in eine kunterbunte (Worldmusic-)Welt ein mit zahlreichen Hits, Experimenten und schrägen Instrumental-Einschüben. „Kimbabwe“ kennt keinen Konsens, zelebriert den Tanz und setzt sich tapfer gegen Aschewolken jeder Art zur Wehr. Dieser Sommer gehört den Youngsters, die Zeit danach womöglich auch. So sympathisch kann eine Hüpfburg sein, so fies Ohrwürmer wie „Kimba“ und „Mama Angola“. Ein echter Leckerbissen aus einer gänzlich unerwarteten Ecke der Welt.
VÖ: 20.05.2011
Vertigo Berlin (Universal Music)
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