Novocaine – Swept Away
In ihrer norwegischen Heimat seit Gründung 1999 Dauergast in den nationalen Radiostationen und auf den großen Konzertbühnen, sind Novocaine hierzulande maximal Insidern bekannt. Ihr emotional und proggig aufgeladener Rock-Sound sollte es nun aber endlich über die Landesgrenzen hinaus schaffen, denn nach ellenlanger Wartezeit veröffentlicht das Quintett aus Bergen ihr Debütalbum. „Swept Away“ sollte vor allem Fans von Radiohead, Sigur Rós, Muse und den frühen Gazpacho begeistern.
Große Gefühle und kleine Gesten dominieren 49 faszinierende Minuten, die mit dem Opener „No Need To“ ihren dramatischen und zugleich programmatischen Lauf nehmen. Umrahmt von sacht angeschlagenen Gitarren, steht Sänger Sigbjørn Hovland zunächst weitestgehend alleine da. So ein bisschen gewöhnungsbedürftig sind Gesang und Arrangement ja schon, wohl aber auch unheimlich mitreißend, wenn schließlich Distortion in einen mächtigen Maelstrom von Refrain entführt und einen kleinen Noise-Wurmfortsatz dazuhängt.
Mitreißende, aufwühlende Songs treten in allen Formen und Längen auf. Ein „Evening Star“ legt beispielsweise schroff und kratzbürstig los, demonstriert zugleich aber unheimliche emotionale Reife. Im ellenlangen „A Childhood Memory“ mit herrlich flackernden Keys und proggigen Spannungsbögen blühen Novocaine schließlich vollends auf. Das 70s-Gitarrensolo bleibt zwar im Hintergrund, wertet die ohnehin bereits packende Ballade aber noch weiter auf. Neben der butterweichen Ballade „Paradox“, die Porcupine Tree mit Keane verbindet, brennt sich vor allem das feinsinnig wogende Finale „Swept Away“ ein. Zwischen filigranem Klavierspiel, hymnischen Gitarren und herzzerreißenden Gefühlsausbrüchen wird der Titelsong zum Feuerwerk.
Zwar gelingt es Novocaine nicht ganz, dieses hohe Niveau auf Albumlänge zu halten – der Mittelteil ist gutklassig, wohl aber auch nicht mehr -, und doch will „Swept Away“ unbedingt gehört werden, sofern man mit einer ordentlichen Dosis Pathos umgehen kann. Trotz dauerpräsenter Emotionalität umschiffen die Norweger sämtliche Kitsch-Klippen geschickt und bewegen mit einer Art von (progressiver) Rockmusik, die es so heutzutage viel zu selten zu hören gibt. Unpeinlich aufwühlend, verdammt clever und dabei doch aus dem Bauch heraus – eben ein gefühlsechter Einstand nach Maß.
Swept Away
VÖ: 10.02.2017 (DL-Album)
Fusspop
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