Motorpsycho – Kingdom Of Oblivion

Motorpsycho
(c) Terje Visnes

Vor der Trilogie ist nach der Trilogie, finden Motorpsycho, und kündigen nach ihren Gullvåg-Jahren eine Rückkehr zu den rifflastigen Psychedelic-Klängen früherer Tage an. Natürlich ist diese Meldung mit einem kleinen Sternchen versehen, denn die Norweger blicken gleichzeitig nach vorne und wollen außerdem Neuland ansteuern. Tatsächlich begann „Kingdom Of Oblivion“ als Hard-Rock-Album mit Rückkehr zu alter Heavyness, nahm über die Wochen und Monate jedoch immer mehr leichtfüßigere Elemente auf.

Eines der neuen Highlights eröffnet die Platte: Der Zweiteiler „The Waning“ bringt den alten, neuen Sound des Trios in siebeneinhalb Minuten auf den gewohnt ausdauernden Punkt. Dicke Riffs und wuchtige Intenstität vermengen sich schnell mit ätherisch-melodischen Momenten und steuern wechselnden Höhepunkten zu – mal unerwartet brachial und verzerrt, dann wieder hymnisch und retrolastig. Das Gitarrensolo in der Schlussminute weckt sogar Erinnerungen an die Anfänge der Band. Selten wird die klassisch-moderne Mission der Norweger so deutlich wie hier.

Je länger „Kingdom Of Oblivion“ dauert, desto vielschichtiger und verführerischer wird es, wächst stetig und unaufhörlich weiter. „At Empire’s End“ ist ein waschechter Space-Psych-Leckerbissen, der über den Dingen schwebt und zugleich von wuchtigen Drumsalven immer wieder auf den Boden der bedrückenden Tatsachen zurückgeholt wird. Dort warten bereits die schwerfälligen Riffs von „The United Debased“, die mit Druck und Witz schrubben (der Bass leistet als Begleitung ganze Arbeit) und in einem ausladenden Mittelteil fast versanden. Und doch kommen Motorpsycho voller Elan am anderen Ende heraus. Schließlich kokettiert „The Transmutation Of Cosmoctopus Lurker“ mit purer Übertreibung, nicht nur aufgrund der stattlichen Spielzeit. Der ellenlange Soloteil in der Mitte erreicht absurde Qualitäten, die lose Struktur ist mehr Jam als Song. Das braucht ein paar Anläufe.

Und so lauern 70 komplexe, herausfordernde Minuten, die sich zurück zum Frühwerk bewegen, ohne sich dabei vergleichsweise jungen Erkenntnissen zu verschließen. Zeitweise hat die neue Motorpsycho-Platte etwas von einer Werkschau, ist dennoch ein komplett in sich geschlossenes Album jenseits entsprechender Typisierungen. „Kingdom Of Oblivion“ flirtet nicht nur mit Widersprüchen, es setzt diese offensiv und mit Nachdruck ein, geht an die Substanz mit druckvollen Riffs und entführt auf schier endlose Psych-Klangwellen. Der ganz große Aha-Effekt der letzten vier bis fünf Platten fehlt vielleicht, dennoch zeigen sich Motorpsycho nach wie vor in guter Verfassung. Darf man schon von einem unterhaltsamen Spätwerk sprechen?

Wertung: 4/5

Erhältlich ab: 16.04.2021
Erhältlich über: Stickman Records (Soulfood Music)

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