Portugal. The Man – SHISH

Plötzlich alles anders: Erstmals seit 15 Jahren sind Portugal. The Man wieder als Indie-Band unterwegs, nachdem ihr Major-Deal ausgelaufen war. Im Vergleich zu „Chris Black Changed My Life“ veränderte sich zudem das Line-up stark, aktuell dürften nur noch John Gourley und Zoe Manville Fixsterne sein, begleitet von diversen Gastmusikern. Nach einer Überraschungs-EP im Sommer gibt es nun ein komplettes Album, das sich musikalisch wieder weiter hinauswagt und insgesamt einen Tacken härter unterwegs ist. „SHISH“ befasst sich mit Unbehagen, Verletzlichkeit und stellt den ureigenen Pop-Entwurf mit Anlauf auf den Kopf.
Manchmal reichen bloße Schläge in die Weichteile: „Pittman Ralliers“ legt mit ungezügelter Hardcore-Punk-Wucht los und stürzt sich kopfüber in den Pit. Mächtige Breakdowns, Noise-Rock-Anteile und ein bizarrer Abbruch am Höhepunkt lassen verwundert zurück. Das krasse Gegenstück dazu ist der Titelsong „Shish“, doppelt so lang und verbindet vertraute Pop-Visionen mit Psychedelia – verspielt, leichtfüßig und zugleich beatesk. Die wuchtigen, entstellten Drums in den Strophen ziehen die Übersteuerung als zusätzliches Instrument heran, bevor die Falsett-Zäsur alles auf den Kopf stellt und die Eigensinnigkeit der Band betont.
Und die bleibt während diesen 42 Minuten stets spürbar. „Kokhanockers“ erinnert an die bekömmliche Anti-Folk-Weirdness von Beck, lässt gelegentlich die Gitarren sprechen und lauert doch hinter Effekten en masse. Hingegen eröffnet „Denali“ das Album mit treibendem Alternative Rock, forsch und drückend, doch selbst in seinen dissonanten Einschüben verdammt eingängig. Das versucht auch „Angali“, wenn wütende Gitarrenwände in endlose Weiten entführen und den sprichwörtlichen Schweiß von der Decke tropfen lassen. An anderer Stelle kommen Fuzz, Power-Pop und komplett abgedrehte Indie-Befremdlichkeit zusammen: „Mush“ hat ein mächtiges Riff, den Tiger im Tank und den Anti-Pop im Handschuhfach versteckt.
So kann ein Befreiungsschlag klingen – wild, überdreht, scheinbar unkontrolliert und doch von der ersten bis zur letzten Sekunde mitreißend. Portugal. The Man bleiben die ultimative Alternative- und Indie-Wundertüte, häuten sich erneut und haben hörbar Spaß am oberflächlichen Chaos. Von einem Neustart zu sprechen, wäre vielleicht übertrieben, und doch schmeißt die Band mal eben so ziemlich alles um, greift auf die eigene Vergangenheit zurück, versucht Neues und sucht zudem neue Ausdrucksformen für den vertrauten Pop-Entwurf. Hinter dem erst überfordernden „SHISH“ steckt musikalische Magie, komplett durch den Wind und sympathisch wie eh und je. Auch in dieser Form bleiben Portugal. The Man absolut fantastisch und essenziell.
Wertung: 4/5
Erhältlich ab: 07.11.2025
Erhältlich über: KNIK Records / Thirty Tigers (Membran)
Website: portugaltheman.com
Facebook: www.facebook.com/portugaltheman
